Peter Grimes

Opera in three acts and a prologue von Benjamin Britten

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»Fesselnde und atmosphärisch dichte Inszenierung« Online musik Magazin

»Großartige Produktion. Ein Opernabend, der unter die Haut geht« Der Opernfreund

»Die Aufführung ist eine Sternstunde« nmz (Neue MusikZeitung)

»Kluge Personenführung« nd.DerTag

»Der erste Leipziger 'Peter Grimes' ist ein Triumph« Leipziger Volkszeitung

Fesselnd und atmosphärisch dicht

"Es hat nichts mit dem Meer zu tun", wird Benjamin Britten von Regisseur Kay Link im Programmheft zu Peter Grimes zitiert. Das stimmt natürlich nicht; denn das Meer ist allgegenwärtig in dieser Partitur. [...] Und gleichzeitig geht es überhaupt nicht um das Meer, sondern um die Dorfgemeinschaft und den Außenseiter, und das kann irgendwo auf der Welt sein. Es geht um die Bedingungen des Zusammenlebens.

In den ersten Takten dieser Aufführung sieht oder besser: ahnt  man auf der noch dunklen Bühne eine Menschenmenge, die in Wellenbewegungen nach vorne drängt. Damit setzt Regisseur Kay Link gleich zu Anfang den Rahmen für eine Inszenierung, die den symbolischen und den atmosphärischen Gehalt der Naturbilder geschickt ausbalanciert, dabei aber fern jeder romantischen Verklärung oder einer Seefahrerfolklore bleibt. Im Gegenteil: Die Fischerei ist für diese sehr heutige Gesellschaft längst Vergangenheit, sie wird bestenfalls zitiert beim Dorffest, das wie eine Mottoparty zu diesem Thema aufgezogen ist. Als Einheitsbühnenbild dient eine riesige leere Industriehalle (Bühnenbild: Dirk Becker), die jetzt offenbar als Dorfgemeinschaftshalle genutzt wird. Aber ein wirklich realer Raum ist auch das nicht, eher ein Assoziationsraum. Halbdurchsichtige Plastikvorhänge trennen in ein Drinnen und Draußen, wenn dahinter Gottesdienst gefeiert wird und davor die Lehrerin Ellen Orford mit Grimes' neuem Lehrjungen John am Strand sitzt. Das Meer erscheint ganz real in einigen Videosequenzen (Tilman König), und es klingt in den graugrünen Farbtönen der Halle nach. Die Menschen tragen heutige Kleidung in gedeckten Farben (Kostüme: Silke Wey), und man glaubt bei allen eingebauten Brüchen sofort: So könnte es aussehen in irgendeinem Dorf an der entlegenen englischen Küste. Fischer ist hier, eine böse Pointe, aber wohl nur noch einer, nämlich Peter Grimes ein Spinner eben, der nicht lassen kann von einem längst abgewickelten Gewerbe und der nichts verstehen will von der neuen Zeit. Der infolge seiner Besessenheit womöglich nicht unschuldig ist am Tod seines ersten Lehrjungen.

So wie in dieser Inszenierung das Meer gleichzeitig ganz nah und ganz fern ist, so verschränkt sie auch virtuos eine naturalistische Erzählweise samt genauer Milieustudie mit einer abstrakten, übergeordneten Deutung. Wenn Grimes den neuen Lehrjungen in der Hütte zum Aufbruch drängt (was zu einem tödlichen Unfall führen wird, dem zweiten in kurzer Zeit), dann wird Peter Grimes' Hütte auf einem improvisierten Podest aus Holzpaletten nur angedeutet wie eine kleine Bühne, und wie in einem Theater sitzen die anderen Außenseiterinnen um diese Szene herum. [...]

Sexualität ist ja ohnehin das latente Subthema dieser Oper. Das Motiv des Knaben, hier in Gestalt des Lehrjungen John, zieht sich durch das Opernschaffen Brittens hindurch als kaum verhüllte Chiffre für Homosexualität. Der neue Lehrjunge John ist hier ein fast erwachsener junger Mann, der sich seiner Attraktivität durchaus bewusst ist. Auch Ellen Orford kann sich dem nicht entziehen (was ihr Verhältnis zu Grimes relativiert), und Grimes merkt man die Faszination an, ohne dass er in irgendeiner Form übergriffig wird. Im Video wird man später sehen, wie er in tiefer Trauer den toten Jungen im Arm hält (im Meer übrigens). Dieser Lehrjunge John ist hier eine unverkennbare Anspielung auf Tadzio, den Jungen aus Thomas Manns Tod in Venedig (die Novelle lieferte rund 25 Jahre nach der Komposition von Peter Grimes den Stoff für Brittens letzte Oper Death in Venice, womit sich der Kreis schließt). Die Regie sympathisiert mit Peter Grimes, die Zweifel an seiner Integrität bleiben hier schwach. Vielmehr scheint die Frage zu sein: Könnte man sich in diesem engen Kosmos offen zur Homosexualität bekennen, oder verlangt die Gemeinschaft eben doch traditionelle Rollenmodelle? Link inszeniert das unaufdringlich und fast nebenbei, aber eben durchaus sichtbar.

FAZIT: Die fesselnde und atmosphärisch dichte Inszenierung von Kay Link erzählt die Geschichte von der Küste sorgfältig nach und abstrahiert sie gleichzeitig zu einer Parabel, die überall spielen kann. Auch musikalisch sehr eindrucksvoll.
Stefan Schmöe, omm.de (Online Musikmagazin)

 

Premiere von "Peter Grimes" in Leipzig besticht durch erstklassiges Ensemble

Benjamin Brittens Oper in der Inszenierung von Kay Link beschließt in Leipzig den Reigen der Premieren der ersten Spielzeit der neuen Intendanz. Das zeitlose Stück thematisiert Wutbürger und Sündenböcke.

Für den Fischer Peter Grimes ist das Meer genauso eine Bedrohung wie die wutbürgerlich aufbrausenden Chormassen. Mit dem Meer haben sie alle zu kämpfen. Für Peter sind aber die Mitmenschen das größere Problem. Die haben selbst keine weiße Weste, aber in ihm und seiner sturen Andersartigkeit einen Sündenbock. Ob sie wirklich die Sorge um die armen Lehrjungen umtreibt, die bei Grimes verunglückten? Oder nicht eher das, was sich als düstere Gerüchtewolke über ihm zusammenbraut? Das bleibt genauso in der Schwebe wie die Frage, was Grimes mit den Jungs angestellt hat oder auch nicht. [...]

Noch bevor die Musik einsetzt, lässt Regisseur Kay Link in der Dunkelheit der kargen Bühne (Dirk Becker) die Massen aufstampfen und Peter vor sich hertreiben. Als er vor ihnen auf dem Boden liegt, platscht auch noch eine Ladung Wasser auf ihn. Fortan kämpft er mit beiden: mit der Masse und dem Meer.

In den dosiert und passend eingesetzten Videos von Tilman König kommt zwar das Meer optisch zu seinem Recht - die Lebenswelt der Fischer aber bleibt Andeutung. Ein paar Holzpaletten, Stühle, ein transparenter Zwischenvorhang und diverse Zutaten für das ziemlich heruntergedimmte, karnevaleske Neptunfest der Dorfbewohner reichen aus. Damit verschenkt die Inszenierung zwar einiges an Übersetzung der musikalischen Opulenz, die Christoph Gedschold mit dem Gewandhausorchester entfesselt, ins Atmosphärische der Bühne. Immerhin bleibt der Fokus damit auf die innere Zerrissenheit Peters konzentriert. Gerade in seiner sensibel träumerischen Einsamkeit. Oder, wenn er zu einem Orchesterintermezzo im Video den toten Jungen auf seinen Armen an Land trägt und dabei seine Verzweiflung stumm herausbrüllt. Davor war in einer Traumszene zu sehen, wie Peter mit dem Jüngling verunsichert tanzt, zwischen Ellen und ihm hin und her gerissen ist und sich in einem utopischen Moment mit beiden zusammen als eine Familie sieht. [...]

Auch wenn die Leipziger Inszenierung mehr auf bühnenfüllende Chortableaus als auf die große Aktion setzt, lässt sie von dieser Vielschichtigkeit einiges erahnen. Zudem rücken ein erstklassiges Protagonisten-Ensemble und das präzise auch den Sturm nicht scheuende Orchester die Musik einer Oper ins Zentrum, mit der Britten sich selbst und die englische Oper nach dem Krieg mit einem Schlag an die Spitze katapultiert hatte. [...]

Am Ende, nachdem sich Peter selbst mit dem Boot versenkt hat, um einem erneuten Prozess zu entgehen, braucht das Publikum ein paar Sekunden, bis der Beifall einsetzt.

Freie Presse

 

Überfällige Erstaufführung nach 78 Jahren

Der erste Leipziger »Peter Grimes« [ist] ein Triumph: Stehendes Gebrüll für Chor, Gunnel, Gedschold, Gewandhausorchester, Begeisterung für den singenden Rest und selbst fürs Inszenierungsteam.

Leipziger volkszeitung

Großartige Produktion von Brittens „Peter Grimes“ in Leipzig – ein Opernabend, der unter die Haut geht

[...] In den vergangenen Jahrzehnten ist Brittens „Peter Grimes“ trotz seiner Bedeutung nur sporadisch in den Spielplänen der Opernhäuser vertreten gewesen. Offenbar erfordern aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, die Flüchtlingsproblematik, entwickeltes Diversitätsverständnis, die Corona-Pandemie eine Aufarbeitung auch auf der Opernbühne, so dass derzeit die Oper eine größere Zahl der Spielpläne der Häuser bereichert. Für Kay Link bedeutete das eine Herausforderung, gegen aktuelle Inszenierungen von Christine Mielitz, Deborah Warner, Stefan Herheim, Stephen Lawless, Christof Loy, Dirk Schmeding, Markus Dietz, Keith Warner, Fredderic Roels und Tilman Knabe eine eigenständige Produktion auf die Leipziger Opernbühne zu bringen.

Da die Fabel der Oper nicht eindeutig ist, nutzte Kay Link den bestehenden Freiraum zu überraschenden Auslegungen. Seine Inszenierung zeigte Grimes zwar als traumatisierten Einzelgänger, doch noch weicher als ihn schon Britten gegenüber der Vorlage Crabbes zeichnete, weniger als Sünder denn als jemanden, gegen den in einem Strudel von Annahmen und Verdächtigungen gesündigt wurde. Viele kleine Nebenhandlungen und eine präzise Personenregie machten die Inszenierung zum Erlebnis, das unter die Haut ging.

Das sparsame Bühnenbild Dirk Becker verzichtete auf üppige Schauwerte und stellt eine der typischen Mehrzweckhallen dar, die am Morgen als Markthalle genutzt werden. Am Tagesverlauf dienen sie für Sitzungen des Gemeinderates, für Begegnungen der Stadtgesellschaft und am Abend durchaus für Feste, ansonsten auch als Lager. Obwohl es keinen Hafen, kein Meeresglitzern gab, wurde das Auge nicht unterfordert. Aus der perforierten Rückwand wurden beeindruckende Chorszenen aufgebaut. Die Dorfgemeinde in den zeitlosen Kostümen von Silke Wey wuselte entweder betriebsam oder rottete sich zum gefährlichen Mob gegen den Außenseiter zusammen. Eine bewegliche Lichtregie von Michael Röger schaffte scharfe Kontraste, weitete und verengte die Szene, passte sich den Seelenzuständen der Agierenden an. Aufwendige Videoinstallationen von Tilman König vermittelten Informationen aus der Vorgeschichte, aus der Außenwelt sowie Stimmungen rund um das Meer. Beklemmend die Bilder vom Tode des ersten Gehilfen Peters.

Der Anfang des zweiten Aktes war zu einer Romanze der Ellen mit dem John und zu einem regelrechten Eifersuchtsdrama durchaus schlüssig umgedeutet. Während die Gemeinde hinter einem Tüllvorhang Gottesdienst hielt, spielte sich in Peters Hütte eine durchaus ausdeutungsfähige Szene zum Unfalltod des von Jonathan Walldorf stumm dargestellten Johns. [...]

Eine großartige, nicht einfache Interpretation einer Oper, die ohne Beispiel in Libretto und in der Musik Pein und Elend eines tragischen Sozialkonfliktes am Beispiel eines Außenseiters vor Augen und Ohren führte.

Am Ende der bewegenden und aufwühlenden Vorstellung gab es den überaus begeisterten, hochverdienten Applaus für die Agierenden und das Inszenierungsteam.

Der Opernfreund

 

Bestechend

Für den Fischer Peter Grimes ist das Meer genauso eine Bedrohung wie die wutbürgerlich aufbrausenden Chormassen. Mit dem Meer haben sie alle zu kämpfen. Für Peter sind aber die Mitmenschen das größere Problem. Die haben selbst keine weiße Weste, aber in ihm und seiner sturen Andersartigkeit einen Sündenbock. Ob sie wirklich die Sorge um die armen Lehrjungen umtreibt, die bei Grimes verunglückten? Oder nicht eher das, was sich als düstere Gerüchtewolke über ihm zusammenbraut? Das bleibt genauso in der Schwebe wie die Frage, was Grimes mit den Jungs angestellt hat oder auch nicht. [...]

Noch bevor die Musik einsetzt, lässt Regisseur Kay Link in der Dunkelheit der kargen Bühne (Dirk Becker) die Massen aufstampfen und Peter vor sich hertreiben. Als er vor ihnen auf dem Boden liegt, platscht auch noch eine Ladung Wasser auf ihn. Fortan kämpft er mit beiden: mit der Masse und dem Meer.

In den dosiert und passend eingesetzten Videos von Tilman König kommt zwar das Meer optisch zu seinem Recht die Lebenswelt der Fischer aber bleibt Andeutung. Ein paar Holzpaletten, Stühle, ein transparenter Zwischenvorhang und diverse Zutaten für das ziemlich heruntergedimmte, karnevaleske Neptunfest der Dorfbewohner reichen aus. Damit verschenkt die Inszenierung zwar einiges an Übersetzung der musikalischen Opulenz, die Christoph Gedschold mit dem Gewandhausorchester entfesselt, ins Atmosphärische der Bühne. Immerhin bleibt der Fokus damit auf die innere Zerrissenheit Peters konzentriert. Gerade in seiner sensibel träumerischen Einsamkeit. Oder, wenn er zu einem Orchesterintermezzo im Video den toten Jungen auf seinen Armen an Land trägt und dabei seine Verzweiflung stumm herausbrüllt.

Davor war in einer Traumszene zu sehen, wie Peter mit dem Jüngling verunsichert tanzt, zwischen Ellen und ihm hin und her gerissen ist und sich in einem utopischen Moment mit beiden zusammen als eine Familie sieht. [...]

Am Ende, nachdem sich Peter selbst mit dem Boot versenkt hat, um einem erneuten Prozess zu entgehen, braucht das Publikum ein paar Sekunden, bis der Beifall einsetzt.

Freie Presse

 

Ein ganz aktueller Peter Grimes

Rezensentengespräch mit Kritiker Bernhard Doppler (Sendung Kultur am Morgen)

Bernhard Doppler (BD): Das Meer selbst spielt in dieser Oper eine große, große Rolle, es ist der Gegenspieler dieses Außenseiters. Und im übertragenen Sinne ist es tatsächlich eine moderne Geschichte, denn das Meer ist gleichsam der Shitstorm, der über einen Einzelkämpfer hereinbrechen kann.

Mod.: Also ein Sturm im doppelten Sinne. […] Was ist jetzt davon in Leipzig auf der Bühne in dieser Inszenierung von Kay Link zu sehen?

BD: Es könnte eigentlich ein Tatort-Krimi sein in einem Dorf, denn die Figuren, die in diesem Dorf auftreten, vom Pfarrer bis zum Apotheker, sind durchaus sehr realistisch gezeichnet, und sie werden in der Inszenierung von Kay Link auch durchaus mit viel Spielfreude gezeigt. Aber es geht dabei um anderes. Auf der Bühne von Dirk Becker gibt es kaum ein Mobiliar, nur Stühle und Holzpaletten auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber Vorhänge, durchsichtige Vorhänge, hinter denen Gestalten auftauchen, Video-Einspielungen vom Meer, das ist sehr gut passend für diese Oper, denn sie zeigt sehr oft Simultanes, also Peter Grimes wie er nachdenkt, wie er nicht weiß, was er tun soll, und hinter dem Vorhang die Dorfgemeinschaft, die in der Kirche versammelt ist, das ist sehr effektvoll, auch natürlich von Benjamin Britten, das besonders Interessante an dieser Oper ist, und das was auch so unter die Haut geht, man weiß wirklich nicht, woran man bei den Figuren ist. Also ist er wirklich ein Mörder oder nicht – bleibt bis zum Schluss offen. [...]
Aber es gibt auch ein interessantes Ensemble, 12 Rollen, und die sind gar nicht so klein. Die interessanteste Rolle ist vielleicht die der Lehrerin Ellen, die schützt ihn vor der Dorfgemeinschaft, sie will ihn auch heiraten, aber gleichzeitig merkt sie, er ist vielleicht dem Jungen mehr zugetan. Und sie singt dann eine ganz berührende Arie über den Pullover dieses verstorbenen Jungen, in den sie einen Anker hineingestickt hat, also ein sehr merkwürdiges Dreiecksverhältnis zwischen Jungen, Peter Grimes und der Lehrerin Ellen, das ist auch ganz interessant. [...]

Mod.: Also musikalisch und inszenatorisch gelungenes Werk; eine Oper, wie gesagt, die durchaus einige Jahre auf dem Buckel hat, aber ganz aktuell daherkommt in Leipzig?

BD: In der Inszenierung von Kay Link, ja.

Bernhard Doppler, Mitteldeutscher Rundfunk

 

Eine Sternstunde
»Peter Grimes«, 1945 in London uraufgeführt, wurde zum ersten Mal in der Oper Leipzig in einer Neuinszenierung von Kay Link gezeigt und sie wurde auf Anhieb ein überragender Publikumserfolg.

Regisseur Kay Link lässt in seiner Inszenierung keine Zweifel offen. Peter Grimes homoerotische Neigungen, aber auch seine Unschuld (zumindest am Tod es zweiten Lehrjungen), ja seine Verzweiflung und Trauer über den tragischen Unfall werden in einem herzzerreißenden Video gezeigt, in dem Grimes verzweifelt weinend den toten Jungen aus den Fluten holt und auf Armen trägt, herzt und zum Abschied küsst.

Es ist beklemmend, wie die Themen Kindesmissbrauch, Homoerotik und Mord im Raum dieses Werkes schweben und nicht nur textlich, sondern auch musikalisch uneindeutig, zwielichtig bleiben in einer auskomponierten Entlarvungskunst fadenscheiniger Moral. „Der Mensch erfand die Moral, aber die Gezeiten haben keine“, sagt der Apotheker Ned Keene. [...]

In diesem Spannungsfeld zwischen Mensch und Universum, Individuum und Gesellschaft, Meer und Psyche, Schuldzuweisung und Verdächtigung, Wahrheit und verlogenem Spießer­tum spielt die dreiaktige Oper samt Vor- und Nachspiel. Kay Link inszeniert assoziativ, sur­real, suggestiv, nicht linear oder gar realistisch in einem meeresblauen Raum [...]. Grell und plakativ kommt Manches in dieser Inszenierung daher. Überwiegend großartig ist die bewegende Chorregie und die subtile Füh­rung der Gesangssolisten. Die Typen britischen Kleinstadt- und Provinzmilieus werden gut getroffen, [...] die aufgebotene Sängerriege ist superb. [...]
Zurecht wurde auch der Chor (Leitung Thomas Eitler-de Lint) der Oper Leipzig vom Publi­kum frenetisch gefeiert. Die Aufführung ist eine Sternstunde.

NMZ (Neue Musikzeitung)

 

Kluge Personenführung

Was machte Regisseur Kay Link aus dieser Vorlage? Er beseitigt Zeitkolorit und Äußerlichkeiten. Die Natur mag in dieser Oper wichtig sein, Sturmfluten mögen am Land nagen und die Gemeinschaft bedrohen – doch interessiert uns kein Fischerdorf um 1830, sondern Ausgrenzung und die Reaktion darauf. Die gefährliche wie die ruhige Natur verweisen in »Peter Grimes« auf das Innere der Menschen, besonders der Titelfigur. Entsprechend sind in Leipzig die Räume (Bühnenbild Dirk Becker) nicht naturalistisch, sondern durch wenige Requisiten nur angedeutet. Die Vorgänge gehen uns an.

Entsprechend wenig war in dieser Inszenierung zu sehen von einem möglichen Grund für Brittens Interesse an diesem Stoff, nämlich dem, dass er als Homosexueller zu Lebzeiten in der britischen Gesellschaft (und nicht nur der) ausgegrenzt und kriminalisiert war. Das Werk aufs Biografische zurückzuführen, ist eher Gefahr als Chance, und die Gefahr wurde hier vermieden. An wenigen, orchestral zarten Stellen ist zu erahnen, dass Grimes an seinem neuen Lehrjungen nicht nur als Arbeitskraft interessiert ist und dass dies der Grund für den Hass sein könnte, der ihn trifft. Angemessen andeutungsweise arbeitete hier die Regie.

nd.DerTag (ehemals Neues Deutschland)

 

Feindschaften, Shitstorms und ein globales Dorf

[...] Auch wenn die einzelnen Dorffiguren vom Pfarrer bis zur drogensüchtigen Hobbydetektivin sehr genau und auch mit Humor vorgeführt werden, so werden in der Inszenierung von Kay Link vor allem die sozialen Strukturen sehr prägnant deutlich. [...]

Benjamin Britten hat – wie viele seiner Opern – wohl vor allem auch für seinen Lebensgefährten, den Tenor Peter Pears, komponiert. Auch Brenden Gunnell in der Rolle des Peter Grimes ist in allen Facetten dieser rätselhaften Figur beeindruckend und ist voll lyrischer Zartheit, aber auch voll Ingrimm, Ehrgeiz und gefährlicher Cholerik. Bei der Premiere wurde er bejubelt. Doch auch die zwölf Rollen der Dorfgemeinschaft sind keine Randfiguren. [...] Die größte Rolle hat jedoch der Chor der Oper Leipzig (Leitung: Thomas Eitler de Lint). Und gerade in diesen Chören ist "Peter Grimes" 2023 so aktuell. Es verblüfft nämlich, wie ausgerechnet das Medium Oper eindringlich und unter die Haut gehend darzustellen weiß, wie man sich im Dorf, das heißt, im globalen Dorf, behaupten muss. Und auch wie und auf welche Weise Feindschaften entstehen und sich Stürme und auch Shitstorms aufbauen und Personen in die Tiefe reißen. Und das ganz ohne zu moralisieren. [...]

MDR Klassik
 

 

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Musikalische Leitung:
Regie:
Bühnenbild:
Kostüme:
Choreografische Mitarbeit:
Choreinstudierung: