Die Erzählung der Magd Zerline – aufgewischt wird später!

Nach einem Roman von Hermann Broch.

»Makellos« Kölner Stadtrevue

»Überzeugend« Theater Pur

»Hochaktuell« taz

Mit tragik-komödiantischem Zug
Überzeugend: Susanne Flury in „Die Erzählung der Magd Zerline“

Starke Frauenstücke sind nun einmal nicht breit gestreut. Seit einigen Jahren haben einige Theater ein neues Stück entdeckt: „Die Erzählung der Magd Zerline“. In den meisten Inszenierungen hat Zerline noch einen stum­men Ansprechpartner. Kay Link in Köln verzichtet auf diesen Anonymus. Der Monolog bleibt was er ist, ein Mo­nodrama. Der Regisseur hebt den Stoff aus dem beginnenden 20. Jahrhundert heraus, verzichtet bis auf Zerlines Arbeitsplatz auf fast jede Ausstattung und macht aus der Zerline eine recht starke selbstbewußte Frau, eine Hausangestellte (was sie im Original ja auch eigentlich ist). Das ist pralles Theater mit leisen und schrillen Tönen und mit kleinen und großen Gefühlen.

Am FWT stellt sich dieser Aufgabe mit Bravour Susanne Flury. Sie nimmt die Rolle sehr selbstbewußt. Sie spielt mit den Worten, jongliert sie, serviert sie mal mit Biß, mal mit Ironie und auch mal melancholisch. Das Publikum bedankte sich mit brandendem Applaus. Ein Einzeldarsteller kann also auch das Publikum unterhalten, er muß einfach nur gut genug sein.

Theater Pur

 

 

Keine Lust auf „Seelenlärm“

Vor allem der „Seelenlärm“ im Liebesleben der Herrschaft ist ihr zuwider. Zerline hat nichts übrig für die Lügen zwischen Männern und Frauen. Seit mehr als 30 Jahren steht sie in Diensten der Baronin und hält nun Rück­schau auf ihr Leben: „Die Erzählung der Magd Zerline“. Eigentlich ist der Monolog ein Teil des 1950 erschiene­nen Romans „Die Schuldlosen“. Doch die Novelle des Wieners Hermann Broch hat sich auch als Theatertext etabliert. In seiner ersten Arbeit für das FWT inszenierte Kay Link jetzt die Erzählung mit Susanne Flury in der Titelrolle.

Ausstatter Peter Lehmann hat eine im symbolischen Rot ausgelegte, leicht schräge Spielfläche in den Raum gesetzt. Weit hinten an der weißen Rückwand hängt ein kleines Portrait des Hausherrn, Zerlines Seelenliebe. Unter den roten Teppich läßt sich vieles kehren, hier lassen sich Briefe verstecken und Löcher bohren, um die Herrschaft zu beobachten. Die Baronin schläft; derweil kann die Zofe tratschen – etwa über Hildegard, das uneheliche Kind der Baronin und ihres Liebhabers, der wiederum auch der Geliebte der Zerline war.

Eine kurze Amour fou, doch Zerlines Eifersucht löst eine Beinahe-Katastrophe aus. Susanne Flury spielt eine nicht mehr ganz junge Frau voller Mutterwitz und bitterer Schärfe, couragiert, selbstbewußt und lebensklug unterscheidend zwischen der Lust des Körpers und der Liebe der Seele.

Regisseur Kay Link läßt ihr Raum und Zeit, die Figur zu entfalten. So wird eine Beichte des „Unvergeßbaren“ hörbar, intensiv und klar strukturiert. […] Eine „Ballade“, von der Hannah Arendt sagte, sie sei eine „der größten Liebesgeschichten“, die sie kenne.

Kölnische Rundschau

 

 

Makellose Leistung

Temperamentvoll und variantenreich in Stimmung und Tempo erzählt Flury als Magd Zerline, wie sie sich im Beziehungsgeflecht ihrer Herrschaften herumtreibt und eine Liebschaft mit dem Herzog von Juna, zugleich Haus­freund ihrer Dienstherrin, beginnt. Die direkte Ansprache ans Publikum bleibt hier nicht wie so oft bloßes Hilfs­mittel, um die Bühne für ein Hörstück zu mißbrauchen, sondern wird mit natürlicher Leichtigkeit eingesetzt […] Gerne wird man Zeuge des stillen, folgenlosen Triumphs der Magd über die Mächtigen.

Kölner Stadtrevue

 

Kaffeeklatsch

Unter der Regie von Kay Link entsteht das Bild einer Frau, die sich mit aller Kraft gegen die Verhältnisse stemmt, die sie zur Unterwürfigkeit zwingen. Mit listigem Spürsinn schleicht sich die Magd in das Leben der Baronin ein, um es zu manipulieren. Diese freche Art nimmt für sich ein, zumal es Susanne Flury gelingt, Zerline facettenreich darzustellen. Mal nimmt sie verrückte Züge an, dann wiederum zeigt sie sich liebenswert aufmüpfig oder hoff­nungslos verliebt. Zerlines Verbissenheit, mit der sie wie ein Spion den Fußboden durchlöchert, Briefe unter dem Teppich versteckt und heimlich darüber lacht, amüsiert und macht sie sympathisch.

Kölner Stadtanzeiger

 

 

Wenn Dienstmädchen Tacheles reden

Vor seiner Schriftstellerkarriere war Broch Textilfabrikant und im österreichischen Industriellenverband als Schlichter zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern tätig - daher sein genauer Blick auf ökonomische Abhän­gigkeiten und ihre psychischen Folgen. In Zerlines Lebensbeichte verbindet sich der Zwang zur Lohnarbeit mit den Zwängen der bürgerlichen Konvention –  einer Konvention der Stille, die nichts laut werden läßt außer eben "Seelenlärm", dabei aber immer im äußerlich korrekten Bild verharrt.

Regisseur Kay Link sieht den Zerline-Monolog als Geschichte einer willensstarken Frau, die eigenständig leben will, es aber durch äußeren Druck nicht kann. Zerline (exzellent: Susanne Flury) redet Tacheles, philosophiert im Scheinwerferlicht. […] Als die belastenden Briefe zum Vorschein kommen, die Zerline unter den roten Bühnen­teppich gekehrt hatte, wird es wirklich spannend.

Dieser poetische Report einer Magd ist hochaktuell in einer Dienstleistungsgesellschaft, in der die Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg ein freies Leben unmöglich macht.

TAZ

 

 

„Je ne regret rien“

Regisseur Kay Link verfügt in Susanne Flury über eine überaus starke Darstellerin, die sich ihre Zerline auch in Momenten behaupten läßt, in denen sie sentimentalen Erinnerungen nachhängt. Link inszeniert nicht berserke­risch, läßt seiner nun freilich auch wirklich hervorragenden Protagonistin sprachlichen und gestischen Auslauf. Ihr anderthalbstündiges Solo ist abwechslungs­reich durchgestaltet: vielsagende Gesten (z.B. das Haar lösen), raummodellierendes Licht.

rheinkultur

Nominiert zum Kölner Theaterpreis 2004

Regie und Stückfassung:
Ausstattung: