Nova - Imperfecting Perfection

Musiktheater für Sopran, zwei virtuelle Sänger, Bratsche und Live Elektronik von Franz Danksagmüller (Uraufführung)

"Ein Musiktheater, das nicht nur das Zeug zur Oper des Jahres hat, sondern vor allem beweist, dass Neue Musik kein Schreckgespenst, sondern Notwendigkeit ist." O-Ton

Zu perfekt für diese Welt

NOVA – IMPERFECTING PERFECTION

Auf einer Studiobühne wird diese „Kammeroper im virtuellen Raum für Sopran, Bratsche, Tenor (virtuell), Bariton (virtuell) und Live-Elektronik“ kaum funktionieren. Vom Evangelischen Kirchentag, der derzeit in Dortmund stattfindet, hat Franz Danksagmüller einen Kompositionsauftrag erhalten. Dementsprechend findet die Uraufführung von Nova – Imperfecting Perfection im Orchesterzentrum NRW in Dortmund statt. [...]

Während nämlich Forscher und Entwickler der Gegenwart noch darüber nachdenken, was Künstliche Intelligenz eigentlich ist und können soll, ist Komponist Danksagmüller schon einen Schritt weitergegangen. Wenn Künstliche Intelligenz und menschliche Gesellschaft zusammenwachsen, zu einem System verschmelzen, ist der Kollaps vorprogrammiert. Individualität, Diversität, Kreativität und viele Dinge mehr, die unser Leben ausmachen, finden dann nicht mehr statt. Stillstand droht, und Stillstand bedeutet Untergang. Weil aber das System intelligent ist, nimmt es diese Perfektion nicht in Kauf, sondern will sie mit einem Wesen unterlaufen, damit sich das System weiterentwickeln kann. Der Android Nova wird trainiert, sich zu individualisieren und ein eigenständiges Leben zu entwickeln. Das muss trotz Liebesgeschichte und Entdeckung der Liebe zur Musik schief gehen, weil fehlende Perfektion impliziert, dass das System nicht akzeptiert wird. Und weil das System immer stärker ist als der einzelne, scheitert der Android und beendet sein Leben. Es ist allerdings Nova Nr. 354 – und Nova Nr. 355 ist schon in Sicht. Eine Geschichte, die zwischen Poe, Kafka, Star Wars und Orwell oszilliert. Mit den richtigen Freunden könnte man darüber am philosophischen Stammtisch viele Flaschen Wein öffnen und käme vermutlich dem Sonnenaufgang ziemlich nah. Mit dem richtigen Team an seiner Seite kann ein Musiker wie Danksagmüller daraus ein Musiktheater entwickeln, das nicht nur das Zeug zur Oper des Jahres hat, sondern vor allem beweist, dass Neue Musik kein Schreckgespenst, sondern Notwendigkeit ist. Genau das ist gerade in Dortmund geschehen.

Kay Link hat die Aufgabe übernommen, das Libretto in Bühnenform zu gießen. Gesa Gröning zeichnet für die Ausstattung verantwortlich. In der Bühnenmitte sind einige weiße Kartons aufgebaut, die in der Folge nicht nur verschiedene Funktionen bekommen, sondern auch für ständige Veränderung sorgen. Der Hintergrund der Bühne wird fast vollständig von drei Leinwänden eingenommen. Links davon nimmt hinter ein paar Scheinwerfern der Bratschist Platz.

Wie sich schnell herausstellt, hat hier ein kongeniales Team zusammengefunden, das Video nicht als schmückendes Beiwerk, sondern als zentralen Bestandteil der Handlung begreift. Und damit bekommen die bewegten Bilder das emotionale Gewicht, das ihnen zusteht. [...]

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Anna Herbst, Sopranistin und ausgewiesene Spezialistin für Neue und Alte Musik. Auf der Konzertbühne hat sie sich einen exzellenten Ruf erarbeitet, auch auf der Opernbühne ist sie zu Hause, aber der heutige Abend stellt doch noch mal eine besondere Herausforderung dar. [...] Zwar hat der Komponist ihr die Stimme der Nova auf den Leib geschrieben – und das hört man auch – allerdings nimmt er die Stimme elektronisch ab und kombiniert sie mit seiner Musik zu einer perfekten Mischung. Was eigentlich nach Erleichterung klingt, funktioniert tatsächlich nur, wenn die Stimme auf die Note genau sitzt, weil es selbst in einer Nachbearbeitung, die es hier nicht gibt, unecht klänge. Herbst ist an diesem Abend auf dem Punkt. Besser kann es nicht laufen. Damit passt sie sich auch den Stimmlagen des Tenors Valdemar Villadsen, der virtuell als Seth auftritt, und den Stimmen von <wholeness> und des Versuchsleiters, die der Bariton Gerard Quinn interpretiert, an.

Auch die Bratsche, die Olof von Gagern mit besonderem Schwierigkeitsgrad gelungen beherrscht, weil er völlig alleingelassen wird, wird elektronisch abgenommen. Danksagmüller mischt alles in Echtzeit mit einer Exaktheit ab, die nicht nur beeindruckt, sondern die einfach virtuos ist. Dabei hält er die musikalische Spannung über eineinhalb Stunden ohne Schwierigkeiten aufrecht. Nur als Besucher mag man sich wundern, dass die Zeit schon um ist.[...] Diese Oper ist nicht nur repertoirefähig, sondern weist in eine Zukunft, die Besucher anlockt, anstatt sie zu vergraulen.

O-Ton

 

 

Die Singularität – die Verschmelzung der Menschheit mit künstlicher Intelligenz zu einem allmächtigen und allwissenden Netzwerk – ist der Ausgangspunkt der Oper.

Während unser Planet immer weniger bewohnbar zu werden droht, erscheint das Leben in der virtuellen Welt immer verlockender.

Die Menschen verbinden sich mehr und mehr mit dem System, in dem alles möglich zu sein scheint. Es existieren keine Grenzen, keine unerfüllbaren Wünsche und die Erweiterungsmöglichkeiten scheinen – losgelöst vom begrenzenden Körper – unendlich zu sein.

Doch mit der Unendlichkeit, der Grenzenlosigkeit und der Tatsache, dass jeder alles erreichen bzw. sich selbst erschaffen kann, verschwinden auch Ehrgeiz, Ansporn sowie alle weiteren Emotionen. Beliebigkeit und Gleichgültigkeit machen sich breit und die exponentiell verlaufende Entwicklung führt zu einem zeitlichen Stillstand.

Dadurch, dass alle Individuen zu einem System zusammengewachsen sind, heben sich die Unterschiede schließlich auf, es bleibt ein einziges Bewusstsein, ein singuläres Wesen übrig.

Alle Vorkommnisse werden berechenbar – es gibt keine Überraschungen, keine Lebendigkeit mehr.

Das System erkennt die Gefahr des Stillstands, der gleichbedeutend mit der Auflösung seiner Existenz wäre, es braucht zu seinem Überleben die Imperfektion, die Krise (die Pandemie?) und schafft ein neues Wesen: Nova.

Nova soll als unberechenbarer und unabhängiger Gegenpart das System wieder herausfordern und so zu neuem Leben zurückbringen.

Der Komponist und Organist Franz Danksagmüller vereint in seinen innovativen Projekten, Kompositionen und Live-Elektronik Performances ein weites künstlerisches Spektrum. In seiner Arbeit lotet er die Verbindung von historischer und neuer Musik sowie von klassischen Klangkörpern und neuesten elektronischen Instrumenten immer wieder neu aus.In genreübergreifenden und interdisziplinären Projekten arbeitet er mit Wissenschaftlern und unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten zusammen.

In dem Musiktheater Just Call Me God  mit John Malkovich in der Hauptrolle arbeitete Franz Danksagmüller (Live-Elektronik) mit Martin Haselböck (Musikkonzept und Orgel) zusammen. Das Ensemble gastierte 2017 u.a. in der Hamburger Elbphilharmonie, im Konzerthaus Wien, im Concertgebouw Amsterdam, in Union Chapel in London im House of Music in Moskau.

In seinen jüngsten Projekten verbindet er seine Kompositionen mit Visualisierungen und Filmaufnahmen. Dazu zählen sounding science – mehrere, auf wissenschaftlichen, mathematischen und demographischen Daten basierte Kompositionen, broken Bach – ein Live-Remix von barocker Musik für Orgel und Live-Elektronik, sowie dávny, eine Komposition aus Klängen und Bildern von verlassenen Orten und zerstörten Instrumenten.

Komposition & Musikalische Leitung:
Regie:
Ausstattung:
Versuchsleiter (Stimme der Wholeness):
Live Elektronik:

Die Uraufführungs-Produktion kann "schlüsselfertig" gebucht werden. Weitere Informationen dazu oder auch zur Bestellung von Ansichtsmaterial für eigene Produktionen erhalten Sie beim Komponisten.
 

Diese Oper mit einer live Sängerin, zwei virtuellen Sängern, einer entfernt sitzenden Bratsche sowie Live-Elektronik am Bühnenrand eignet sich ideal für Vorstellungs-Formate unter Corona-Auflagen!